Neu im Museum – Unser Hingucker im August

Langer Abschied:

Als praktizierender Katholik war Rudolf Lell in seiner Heimatstadt Bamberg nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten Schikanen ausgesetzt. Eine „normale“ Laufbahn an Land einzuschlagen, schien unter diesen Umständen sinnlos. So entschloss er sich im Alter von sechzehn Jahren, zur See zu fahren und stieg 1938 als so genannter „Reiniger“ (Hilfskraft in der Maschine) auf dem Motorschiff COBURG, Reederei Norddeutscher Lloyd, Bremen, ein. Die COBURG war in der Ostasienfahrt eingesetzt. Die erste Reise ging von Hamburg aus über Antwerpen, Genua, Port Said durch den Suezkanal nach Singapur, Hongkong, Shanghai und Yokohama. Sie dauerte knapp vier Monate. Von dieser ersten Reise brachte Rudolf Lell ein typisches Seemanns-Souvenir aus Ostasien mit: Ein Seidentuch mit Applikationen der damaligen deutschen Handelsflagge – zu jener Zeit mit dem Symbol des Hakenkreuzes versehen – , der Nationalflaggen jener Länder, die das Schiff auf seiner Reise angelaufen hatte (Niederlande, Italien, Saudi Arabien, China, Japan) nebst einem Konterfei des Schiffes und einem Porträtfoto seiner selbst. Am 12. August 1939 lief das Schiff mit Rudolf Lell an Bord erneut von Hamburg in Richtung China und Japan aus. Am 25. August wurde die Schiffsleitung angewiesen, umgehend einen neutralen Hafen anzulaufen. Spätestens am 28. August 1939 erreichte die COBURG den italienischen Hafen Massaua in Eritrea. Wie viele andere deutsche Seeleute auch sollte Rudolf Lell seine Heimat erst 1946, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wiedersehen. Mit dem weiteren Schicksal von Schiff und Besatzung befasste sich Jahrzehnte später die Historikerin Judith Kestler, die zugleich Enkelin Rudolf Lells ist. Sie übergab dieses Erinnerungsstück aus dem Nachlass ihres Großvaters dem Schiffahrtsmuseum der oldenburgischen Unterweser, dessen Archiv es nunmehr bereichert.