Die Mechanik des Sparens
Ausstellungstexte schreiben ist immer so eine Sache: zu lang, zu kurz, zu viele Fremdworte, zu wenige Fachbegriffe – Stolperfallen und Probleme gibt es viele. Die richtige Mischung aus den verschiedenen Ansprüchen an einen Text zu finden, kann leicht zum Haareraufen führen. So mancher Text, der einem auf Anhieb aus der Feder (oder der Tastatur) fließt, stößt bei Kolleginnen und Kollegen nicht auf Gegenliebe, wird kritisiert, umgestellt und verbessert. Kaum etwas bleibt vom eigenen „Lieblingstext“ über. Andere Texte hingegen, die einem selbst schwerfällig wie ein Tanker vorkommen, sind nach wenigen Korrekturen druckfertig.
Der große Vorteil bei der intensiven Auseinandersetzung mit Texten und den zu beschreibenden Objekten ist, dass man fast jedes Mal kleine Besonderheiten, kleine versteckte Geschichten und erst auf den zweiten Blick offenbarte Zusammenhänge erkennt. Leblose Objekte werden so zu Symbolen für den Zeitgeist, die Globalisierung oder den Alltag von Menschen in der Vergangenheit. Die Objekte beginnen allein durch ihre Verarbeitung, Form und Farbe zu sprechen – auch ohne einen Blick in die Details der Objektgeschichte. Aber: Würde man all diese Informationen in eine Objektbeschreibung fließen lassen, würde es niemand mehr lesen. Die Zeit der langen und ausufernden Beschreibungen sind vorbei, wenn es sie im musealen Bereich je wirklich gegeben hat. Einige Informationen lässt man bei der Textformulierung schnell außen vor (was sich schnell als fataler Fehler herausstellen kann), andere Informationen will man unbedingt unterbringen (was sich schnell als fataler Fehler herausstellen kann).
Als Beispiel für solch weitreichende Informationen, die aus Platz- und Aufmerksamkeitsgründen dem „Rotstift“ zum Opfer gefallen sind, hat mit Jonah und dem Wal zu tun. Im deutschsprachigen Raum ist Jonah eher als Jona oder Jonas bekannt. Je nachdem, welcher Konfession man angehört. Eine längere Geschichte kurz erzählt: Jona wird von Bord geworfen und landet im Bauch eines Fisches (meistens als Wal bezeichnet). Im Bauch des Tieres betet er und wird nach drei Tagen und Nächten an Land wieder ausgespien. Warum der Fisch Jona heile an Land bringt, was die Verschlingungsepisode zu bedeuten hat und warum die Geschichte im Christentum recht bekannt und beliebt ist, ist Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Einige sehen darin ein Sinnbild für die Auferstehung Jesu Christi, was durch verschiedene Stellen in anderen Bibeltexten verstärkt wird.
Auch wenn wir uns im Schiffahrtsmuseum mit „christlicher Seefahrt“ (lange eine Bezeichnung für Handelsschifffahrt in Abgrenzung zur Marine) beschäftigen, soll die Bibelauslegung nicht Schwerpunkt sein. Bei der Objektsichtung für die neue Dauerausstellung im Telegraph kam ein Objekt aus dem späten 19. Jahrhundert zum Vorschein, welches zwar explizit auf die Verschlingung durch den Wal anspielt, aber aus einem ganz anderen Grund interessant ist: eine „mechanische Spardose“. Die moderne, elektrische Variante kennen einige vielleicht.
Ende des 19. Jahrhunderts waren vor allem in den USA mechanische „Piggy Banks“ sehr beliebt. Ein Hersteller, auf den man immer wieder trifft, ist „Shepard Hardware Co.“ aus Buffalo, NY. Um 1890 herum stellte diese Firma zahllose mechanische Sparschweine her, allesamt aus schwerem Gusseisen hergestellt. Die häufig als „Kinderspielzeug“ verkauften Stücke erfreuten sich in der Zeit nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg bei Jung und Alt großer Beliebtheit. Geld und Münzen waren ein rares Gut:
Mechanical banks began to appear shortly after the end of the American Civil War and the American public was eager to purchase them. This market was generated as a natural outgrowth of the events that occurred during the war years (1862-1865). There was a severe coin shortage during this time, due in part because the public was saving (hoarding) them. In fact, the situation got so bad that postage stamps were often used to make change. Both the Union and Confederate governments began issuing paper notes to supplement their coinage and help relieve this problem. But, as you can well imagine, the public didn’t like paper money. This currency wasn’t trusted. It could become as worthless as last week’s newspaper, especially of the side that would lose the war. However, coins would always retain some metallic value.
Die Beliebtheit der Spardosen hielt mindestens bis zur Jahrhundertwende. „Shephard Hardware“ war zwischen 1882 und 1892 sehr umtriebig: 15 verschiedene Sparschweine brachte die Firma, über die ansonsten nur wenig bekannt ist, in zehn Jahren heraus. ((vgl. COLLECTORS’ SHOWCASE, Volume 1, Number 4, March/April 1982, pages 27 through 34)) Neben „Jonah and the Whale“ gab es noch „Santa Claus“, eine Artillerie-Spardose, einen springenden Frosch usw. Der Zeitgeist sprach aus allen Spardosen, wobei Exemplare wie die „Jolly Nigger Bank“ oder der „Stump Speaker“ aus heutiger Sicht extrem geschmacklos und rassistisch sind.
Das Prinzip der Spardosen war an sich immer gleich: Es gab einen Münzteller, der mit einem Hebel bewegt werden konnte, so dass die Münze im eigentlichen Sparfach landete. Bei „Jonah and the Whale“ ist das Prinzip:
Place a coin on Jonah’s head, press the lever and he almost gets tossed overboard. The coin is slung into the whale’s mouth as, unlike the Biblical account, Jonah is pulled back into the boat in preparation to make another deposit. The whale’s lower jaw moves up and down for several seconds after the action takes place.
Die mechanischen Vorgänge konnten aber auch etwas komplizierter sein, wie die „Leapfrog Bank“ (dt. „Bockspringen-Sparschwein“) zeigt:
Place a coin in the slot at the top of the tree stump. Actuate the lever and one boy “leap frogs” over the other, his hand then makes contact with a second lever which causes your deposit to fall into the stump.
Der Verkaufspreis der Spardosen lag 1890 übrigens bei ungefähr einem $1, was einem heutigen Wert von ungefähr $26 oder knapp €20 entspricht. Eine dieser Spardosen, nämlich eine aus der „Jonah“-Reihe hat vor zwei Jahren den Weg in unser Museum gefunden.