Lyrisches

In Prosa, Lyrik und Musik ist die Seefahrt mit ihren Schiffen, den hart arbeitenden Matrosen mit ihren unzähligen Liebschaften und der Weite des Meeres ein beliebtes Thema. Viele „maritime“ Begriffe haben Eingang in unsere Sprache gefunden und auch nach der Zeit der großen Segelschiffe sind die Menschen immer noch von den Weiten der Ozeane fasziniert. Auch wenn vieles, was sich heute in der Popkultur zum Thema Seefahrt findet, stark verklärt und romantisiert ist: Auch in vergangenen Zeiten waren lyrische Texte auf Tellern, Tassen und Bechern ein beliebtes Geschenk an die Liebste und gern genommene Souvenirs als Erinnerung an eigene Reisen.

Beispiele für entsprechende Aufschriften finden sich auch in unserer Sammlung immer wieder. Die verwendeten Texte stammen teilweise aus Gedichten, Stücken, Liedern oder alten „Volksweisheiten“. Englisch ist dabei dominierend. Durch die hochwertige Verarbeitung eigneten sich die vornehmlich aus Steingut hergestellten Objekte sehr gut als Dekoration für die heimische Wohnstube. Für eine tägliche Nutzung am Esstisch waren die Stücke zu wertvoll. Entsprechend gut sind die Teller, Schalen und Becher auch heute noch erhalten. Ob die Menschen im 18. und 19. Jahrhundert alle Sprüche zuordnen konnten, kann natürlich heute nicht mehr nachvollzogen werden. Es zeigt sich aber, dass viele der verwendeten Gedichte heute eher unbekannt sind, auch wenn die Urheber fast immer noch gefunden werden können.

Liebe, Abschied und harte Arbeit

Unter anderem auf einem Steingutbecher aus dem 19. Jahrhundert findet sich folgender Text:

‚The hardy sailor braves the ocean fearless of the roaring wind. Yet his heart with soft emotion throbs to leave his love behind.

The Castle of Andalusia“ stand Pate für diese Aufschrift. Die „comic opera“ in drei Akten wurde von John O’Keefe, manchmal O’Keeffe geschrieben, 1782 in einer überarbeiteten Form veröffentlicht. Der „hardy sailor“ wird gleich in der ersten Szene des ersten Aktes von „Don Alphonso“ besungen. Der kurze Auszug ist ein schönes Beispiel für ein typisches Stereotyp: Der Seemann, der sich zwar furchtlos Wind und Wetter aussetzt, aber innerlich an die Liebste in der Heimat denkt.
Auf einer wahrscheinlich aus dem 18. Jahrhundert stammenden Steingutschale finden sich gleich mehrere Aufschriften. Unter der Überschrift „Sailors‘ Farewell“ heißt es:

Sweet! oh: Sweet is that sensation,
Where two hearts in union meet.
But the pain of Seperation,
Mingles bitter with the Sweet

Dieser Ausspruch wird auf der gegenüberliegenden Seite der Schale begleitet von:

‚The sailor tost in stormy seas,
Though for his bark may roam,
Still hears a voice in every breeze,
That wakens thoughts of home,
He thinks upon his distans friends,
His wife his humble cot,
And from his inmost heart ascends,
The prayer Forget me not

Der „Seefahrerabschied“ kommt wohl besonders häufig auf Waren von englischen Töpferei vor. Aufgrund ihres Ursprungs nennt man diese Töpferwaren „Sunderland Lustreware„. Über den Ursprung findet sich wenig, es scheint sich aber um die letzte Strophe des Liedes „Sweet is Life“ zu handeln, zumindest wenn man dem 1808 erschienen Buch „The Vocal Encyclopædia“ glaubt. Gesungen wurde das Lied angeblich von „Miss Schirmer at the German Theatre.“ Der von stürmischen Seen getestete Seemann ist hingegen besser zuzuordnen und wurde ebenfalls gerne von Töpfereien aus Sunderland genutzt. Der Vers stammt aus dem Sonnet „The Gypsy’s Malison“ von Charles Lamb, der auch eine Zeit für die Ostindien-Kompagnie arbeitete. Manchmal wird das Gedicht aber auch dem „Quaker Poet“ Bernard Barton zugeschrieben. Das war aber noch nicht alles auf der Schale. An anderer Stelle geht es weiter mit Charles Lamb, dieses Mal mit dem Gedicht bzw. Teilen aus „A Birth-Day Thought„.

I envy no one’s birth or fame,
Their titles, train, or dress;
Nor has my pride e’er stretched its aim
Beyond what I possess.
I ask and wish not to appear
More beauteous, rich, or gay:
Lord, make me wiser every year,
And better every day.

Auch dieses Gedicht wurde gerne von den Sunderlandern genutzt. Bei der Steingutschale in unserer Sammlung fehlt der Hersteller, was zeigt, dass sich auch eine entsprechende „Lyrikrecherche“ lohnen kann. Der Verdacht liegt nahe, dass es sich beim Objekt ebenfalls um ein Exemplar aus dem Gebiet Sunderland handelt.
Bei einer weiteren Steingutschale finden sich zwei Texte. Einer auf der Außenseite und einer innen. Innen wird der Essende ermahnt:

Be wise then, Christian, while you may
For swiftly time is flying;
The thoughtless man who laughs to day
To-morrow may be dying.

Diese Zeilen stammen aus dem Gedicht „An Ode. The Sentiment from the Divine Herbert.„, welches von George Horne geschrieben wurde. ((Manchmal auch George Herbert zugeschrieben.)) Die Ermahnung erinnert an Kalendersprüche, die den guten Christen zu einem „tugendhaftes“ Leben erziehen sollten.
Auf der Außenseite der Schale findet sich ein Vers, der wieder den Abschied bzw. die Gedanken an die Liebste thematisiert. ((Auch gerne von Sunderland benutzt.))

Far from Home across the Sea
To Foreign climes I go
While far away, O think on me
And I’ll remember you.

Das waren noch nicht alle Stücke aus unserer Sammlung. Im nächsten Teil wird es unter anderem um ein Gedicht von Byron gehen.