Keramik verbindet oder: Wie man für Blumentöpfe Aufmerksamkeit erzeugt
Wer unsere Dauerausstellung im Telegraphengebäude besucht, wird spätestens im zweiten Stock stutzen. Die nüchterne Architektur dieses technischen Baudenkmals wird auf einmal unterbrochen durch auffälliges Wanddekor: Fliesen mit dem Motiv „Bloempotten“ oder „Bloempotjes“ in der Farbe Manganbraun und in unterschiedlichen Ausführungen. Es ist offensichtlich, dass sie nicht zur Originalausstattung des 1846 errichteten Gebäudes gehören, in dem zu jener Zeit bereits Arrestzellen eingerichtet waren, das also, neben seinem eigentlichen Zweck, der Übermittlung von Nachrichten per optischer Telegraphie über eine Signalvorrichtung auf dem Dach, im Falle eines Falles auch als Gefängnis diente. Und eher nicht nach – relativ kostspieliger – Wanddekoration verlangte.
Die Fliesen wurden erst nach 1960 in den Telegraphen verbracht und sind Ausdruck der Sammelleidenschaft für niederländische Fliesen, volkstümlich unter dem Begriff „Delfter Kacheln“ zusammengefasst, welche die ersten beiden ehrenamtlichen Museumsleiter, Dr. Friedrich Carstens und sein Nachfolger, Dr. Carl Reinecke, teilten. Dadurch hinterließen Sie dem Schiffahrtsmuseum einen bedeutenden Bestand an diesen keramischen Kleinoden, die zu einem großen Teil in den Dauerausstellungen der Häuser „Telegraph“ und „Borgstede & Becker“ bestaunt werden können. Neben den „Bloempotjes“ sind auch weitere Motive aus unterschiedlichen Zeiten Bestandteil der umfänglichen Sammlung.
Seit einigen Jahren ist das Schiffahrtsmuseum bemüht, mit seinen Sonderausstellungen auf die eigenen Sammlungsschwerpunkte aufmerksam zu machen und den Blick auf die wertvollen Bestände zu richten. Damit werden zugleich unterschiedliche Aspekte der regionalen maritimen Lebens- und Alltagskultur in ihren mannigfaltigen Facetten aufgearbeitet und in verständlicher Form an ein breites Publikum vermittelt.
Im Jahr 2015 gelang dies mit dem Themensommer „Kapitänsbilder“. In diesem Jahre wird unter dem Titel „FliesenKultur – Keramik verbindet“ ein weiterer Sammlungsschwerpunkt im Mittelpunkt stehen.
Wie der gesamte Norddeutsche Raum ist auch die Wesermarsch und ihre Wohn- und Lebenskultur stark geprägt von niederländischen Einflüssen. Im 15. und 16. Jahrhundert fanden Fayencefliesen über Italien, Portugal und Frankreich ihren Weg in den Norden. Seit dem 16. Jahrhundert wurde vor allem Antwerpen zum Zentrum der Fliesenherstellung. Seit dem beginnenden 17. Jahrhundert lösten zunächst das niederländische Delft, später auch Rotterdam, Utrecht oder Makkum Antwerpen als Hauptproduzenten glasierter Tonfliesen ab.
In Massenproduktion hergestellt, wurden diese Fliesen elementarer, weil sowohl praktischer als auch dekorativer Bestandteil einer höfischen und bürgerlichen Wohnkultur. Über das verbindende Element der Schifffahrt fanden die „Delfter Kacheln“ mit ihren vielfältigen Mustern und Dekoren auch großen Zuspruch im norddeutschen Raum, nicht zuletzt in der Wesermarsch. Hier zeugen sowohl noch in einigen Häusern erhaltene Bestände als auch umfangreiche museale oder private Sammlungen bis heute von dieser Blütezeit.
FliesenKultur beginnt am 17. Juni 2016. Ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Führungen, Rundgängen, Radtouren, Aktionen und Vorträgen begleitet diesen Themensommer. Dabei werden auch einige noch in privatem Besitz befindliche Fliesensammlungen und in Privathäusern erhaltene Bestände zu bestimmten Zeiten für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Mit der Übernahme der Privatsammlung Heinz David (1938-2010) aus Firrel in die Sonderausstellung wird zugleich der Bogen in die Gegenwart geschlagen. Sein Nachlass gibt einen Einblick in die Techniken und das breitgefächerte Repertoire heutiger Motiv-Vielfalt.
FliesenKultur ist Projektpartner von „Land der Entdeckungen 2016“.
Der Themensommer wird gefördert durch die Oldenburgische Landschaft und die Kulturstiftung Wesermarsch.